Scapa Flow
Die Untersuchungen in der Bucht Scapa Flow
Die Untersuchungen in der Bucht Scapa Flow sind abgeschlossen, und nun bleibt für uns nur noch die Heimreise über die Nordsee.
Wir starten von Scapa Flow Richtung Pentland Firth, wo der Gezeitenstrom eine Geschwindigkeit von 16 Knoten haben kann. Da unsere Höchstgeschwindigkeit 12 Knoten beträgt, muss die Abfahrt an die Gezeiten und die auslaufenden Strömungen angepasst werden. Wir errechneten, dass Mittwoch, der 1. Februar um 8 Uhr für uns der ideale Zeitpunkt ist.
Noch einen Tag zuvor, am Dienstag, wütete ein schwerer Sturm mit bis zu 29m/s, so dass wir froh sind, mit dem Hinausfahren aufs offene Meer bis jetzt gewartet zu haben.
Alles in allem war die Expedition ein großer Erfolg!
Unsere Aufgabe war es, alle Überreste der deutschen Flotte bei Scapa Flow zu registrieren.
Also eine ähnliche Aufgabe wie damals, als wir alle 25 Schiffswracks der Skagerrakschlacht in der Nordsee gefunden und registriert haben.
Wir haben die bisher größte Untersuchung des Meeresbodens in Scapa Flow durchgeführt: Über 50 Quadratkilometer wurden von uns minutiös vermessen und abgesucht.
Es wurden ganze Wracks oder Wrackteile von Schiffen der deutschen Flotte gefunden, die 1919 hier versenkt wurden.
Außerdem Abdrücke großer Kriegsschiffe, die sich noch am Meeresboden zeigten, obwohl die Schiffe später geborgen worden waren.
Wir haben Wrackteile der HMS Vanguard vermessen, die während des Ersten Weltkrieges bei einem Unglück in die Luft gesprengt wurde, was mindestens 804 Menschen das Leben kostete.
Wir scannten ebenfalls das große Wrack der HMS Royal Oak, die während des Zweiten Weltkriegs torpediert wurde und auf der 833 Menschen ihr Leben verloren.
Zwei große Kriegsgräber, die wir mit Sondererlaubnis vermessen konnten und so von Tauchgängen und ROV (Remotely Operated Vehicle, ferngesteuerte Tauchboote) absahen.
In der ganzen Bucht verteilt haben wir zudem eine Reihe anderer Schiffe der Royal Navy gefunden und vermessen – spannende Funde von größeren Minenlegern, einer Reihe von sogenannten Drifters -so werden Dampftrawler genannt, die für die Royal Navy umgebaut worden waren - bis hin zu einigen kleineren Arbeitsschiffen.
Außerdem fanden wir eine beachtliche Anzahl an sogenannten Blockschiffen, die in mehreren Zufahrten nach Scapa Flow versenkt worden waren, um feindliche U-Boote daran zu hindern, in die Bucht, die immerhin größter britischer Flottenhafen war, einzufahren. Darüber hinaus fanden und verzeichneten wir eine große Anzahl an U-Boot-Netzen sowie weiteren Sperrmitteln für Blockaden der Zufahrtswege.
Ein U-Boot fanden wir außerhalb der Einfahrt nach Scapa, nämlich das U18 und eines, das U118, innerhalb der südlichen Zufahrt.
Beide U-Boote wurden im Ersten Weltkrieg versenkt.
Es wurden Überreste von zwei Flugzeugen und einige Wracks jüngeren Datums gefunden, die größten waren Trawler.
Am bemerkenswertesten ist der Zustand des Wracks der Prudentia, ein großes Tankschiff, das 1916 nach einer Kollision sank. Das Schiff liegt auf der Seite und ist größenteils intakt.
Insgesamt haben wir 55 Wracks gefunden und vermessen. 35 davon von der MS Vina aus und 20 von unserem kleinen Hilfsschiff, der MS Limbo, aus, mit der wir auch in niedrigem Wasser arbeiten können.
Zu den verzeichneten Wracks kommen die vielen Pontons, Schwimmkörper und U-Bootsperren auf dem Meeresgrund
Durch unsere Untersuchungen konnten wir eine große und gute Dokumentation erstellen, die über das reine Kartenmaterial hinaus der Forschung wertvolle Erkenntnisse zum Bergen von Wracks und weiteren Funden unter Wasser liefert.
Teilnehmer der Expedition waren David Gregory von der wissenschaftlichen Abteilung des Nationalmuseums, der zusammen mit zwei Marinearchäologen der Syddansk Universitet die Tour begleitete.
Die zwei Letztgenannten konnten neue Erkenntnisse gewinnen über die Verwendung von Multibeam und ROV in der Marinearchäologie.
Zusammen mit Mitarbeitern einer britischen TV-Produktionsfirma war außerdem Dr. Innes McCartney von der Universät in Bournemouth Teilnehmer der Expedition. Sie arbeiten an einem Buch sowie einer Fernsehsendung, die 2019, hundert Jahre nachdem die deutsche Flotte in Scapa Flow versenkt wurde, erscheinen sollen.
Ebenfalls dabei war Nicholas Jellicoe, Enkel von John Jellicoe, der Oberbefehlshaber der britischen Flotte während des Ersten Weltkrieges war. Er schreibt ein Buch über den Flottenstützpunkt Scapa Flow.
Der Journalist und Autor Knud Jakobsen begleitete die Forschungsreise, um die Geschichte für dänische und deutsche Leser festzuhalten.
Während der Reise war uns möglich, vor Ort das Museum über den Flottenstützpunkt, The Standing Stones (3000-5000 Jahre alte neolithische Steinmonumente), verschiedene Erinnerungsstätten sowie Festungsanlagen, darunter die großen Anlagen aus Erstem und Zweiten Weltkrieg, zu besichtigen.
Gespräche mit den Bewohnern vor Ort waren ein Erlebnis, z.B. das mit dem 93-jährigen Johnny Meil, der bei der Bergung von der deutschen Flotte dabei gewesen war. Oder der Besuch der Long Hope Rettungsstation, in der alle Rettungsleute zur Stelle waren und uns empfingen.
Wir kehren zurück aus dieser wilden und schönen Landschaft der Orkneyinseln mit vielen Erlebnissen und Eindrücken im Gepäck und der Erkenntnis, dass die Inseln zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter – eben auch im Januar – eine Reise wert sind.
Außerdem haben wir so viel gutes Material während dieser Reise angesammelt, dass schnellstmöglich eine neue Ausstellung über die Wracks in Scapa Flow konzipiert und im Sea War Museum in Thyborøn zu sehen sein wird.
Bis Dienstagabend hat die Expedition 955 Seemeilen zurückgelegt, 390 davon über die Nordsee, 565 Seemeilen in der Bucht von Scapa Flow.
Zu guter Letzt möchte ich mich besonders bedanken bei den tüchtigen Mitarbeitern von JD-Contractor, der Abteilung Survey, ROV – den Piloten und der Besatzung der MS Vina.
Gert Normann